Waren Sie auch so überrascht, als der Fußballzwerg Island das Favoritenteam aus England im Achtelfinale aus dem Turnier der Fußball Europameisterschaft geworfen hat? Aber warum war die halbe Welt eigentlich so erstaunt? Nach welchen Maßstäben hat man denn im Vorfeld beurteilt, welches wohl das erfolgreichere Team sein würde?
Der Isländische Trainer sagte nach dem Spiel: „Wir haben wegen unserer Teamleistung gewonnen.“ Aber was genau meinte er damit? Klar, das englische Team ist gespickt mit erfahrenen Profis, technisch besser, taktisch erfahrener und, und, und. Der Torhüter der Isländer, Hannes Thor Halldórsson, kam beispielsweise erst mit 28 Jahren hauptberuflich zum Fußball. Aber die besseren Einzelspieler machen alleine noch kein erfolgreicheres Team. Ok, das weiß jeder! Vielleicht war es die Tagesform oder die bessere taktische Ausrichtung durch den Trainer.
Wie sehen das etwas anders. Denn wir sehen im Island-Effekt 3 herausragende Merkmale, die wir grundsätzlich über Teamarbeit lernen können.
1. Herausforderung
„Wir haben schon vor diesem Spiel gesagt, dass man bereit sein muss, wenn man das Beste vom Leben will“, sagte Heimir Hallgrimsson, der isländische Co-Trainer. Und er meinte damit, dass dieses Spiel zu gewinnen, eine übermächtige Aufgabe ist. Doch gerade die Größe einer Herausforderung lässt Menschen über ihre normale Leistungsfähigkeit hinauswachsen und motiviert ihre Anstrengungsbereitschaft in besonderem Maße.
Gerald Hüther, der namhafte Neurowissenschaftler, nennt es „Selbstdoping für das Gehirn“ und „Potenzialentfaltung“, wenn Menschen sich mit Begeisterung einer großen Herausforderung stellen können.
Doch wo, wenn wir auf unseren beruflichen Alltag schauen, wo bieten wir als Führungspersonen und Leader den Teams noch wirklich große Herausforderungen, an denen sie wachsen können? Wie oft zeigen wir ihnen unser Vertrauen dadurch, dass wir sie an wirklich wichtigen Aufgaben mitgestalten lassen, anstatt sie nur im Sinne einer Ressourcenverwaltung zu beschäftigen? Wie oft geben wir unseren Teams die Möglichkeit, das Beste vom Leben zu wollen?
2. Fehler
Es ist allseits bekannt: Wer mehr zu verlieren hat, ist nervöser, gehemmter und tut sich schwerer. Angst vor Fehlern lähmt, blockiert den Kopf und macht unsicher. Und in der Tat hatten die Engländer in diesem Spiel sehr viel mehr zu verlieren, vor allem ihre ohnehin schon angeschlagene Reputation. Island hingegen konnte nur gewinnen. Wahrscheinlich hätte man den Spielern noch nicht einmal ein Eigentor übelgenommen.
Und wenn wir hier auf unseren beruflichen Alltag schauen, wie sieht dann unser Umgang mit Fehlern aus? Wie viel haben unsere Mitarbeiter zu verlieren, wenn es nicht gut läuft? Müssen sie bei Fehlern die Angst haben, ihr Gesicht zu verlieren? Wie oft geben wir unseren Teams so viel Rückendeckung, dass auch sie Eigentore schießen dürfen?
3. Spirit
„Ich denke, wenn der Teamspirit stimmt, kann auch das Unmögliche passieren“, sagt der in Mainz ausstellende isländische Künstler Egill Saebjörnsson mit Blick auf die Vorrundenspiele seiner Nationalmannschaft. Nun klar, alle wollen das Spiel gewinnen. Aber Spirit ist vielmehr als nur ein gemeinsames Ziel zu haben. Spirit meint doch, dass man über den Weg zu diesem Ziel in einem wertschätzenden Austausch steht. Dass man sich gleichermaßen unterstützt und kritisiert. Kurz gesagt, dass man gemeinsam eine konstruktive Feedbackkultur lebt.
Und wie sieht dies an unseren Arbeitsstellen aus? Wie unterstützen sich die Teammitglieder dort? Und vor allem, wie kritisieren sie sich? Stärkt auch dort ein offener, ehrlicher und konstruktiver Umgang das Gemeinschaftsgefühl und lässt sie den Teamspirit einer wertschätzenden Feedbackkultur spüren?
Wann fangen Sie an, Ihrer Arbeit mehr Island-Effekt zu verleihen?
Karla Schlaepfer + Martin Welz